„Chill mal Dein Leben!“ – mit dieser Aufforderung verließ der junge Mann das Büro, nicht ohne die Tür lautstark hinter sich zu schließen. Ich blieb irritiert zurück. MOMENT! Laut Bewerbung war dieser Bewerber auf einen Ausbildungsplatz kommunikativ und motiviert, hatte Hobbys wie Lesen und asiatische Kampfkunst und wäre seiner Selbsteinschätzung nach durchaus in der Lage gewesen, seinen künftigen Kollegen etwas beizubringen.

Wenn ich ihn nach diesem Gespräch in meiner Position als Personalchefin noch als neuen Mitarbeiter gewollt hätte. Ich hatte ihm aber schon während des Job-Interviews beibringen müssen, dass er (sehr nett formuliert) nicht wirklich in unser Team passen würde.

Warum nicht? Die Bewerbungsunterlagen waren perfekt gewesen, seine Selbstdarstellung darin auch und darüber, dass er ein wenig zu spät zum Termin erschienen war, hatte ich großzügig hinweg gesehen. Nicht wirklich begeistert war ich kurz darauf, als er sich unaufgefordert in den Besucherstuhl vor meinem Schreibtisch warf, seinen Kaugummi von rechts nach links schob und ein undeutliches „Tachchen“ nuschelte.

Ich mahnte mich zur Geduld, jeder war schließlich einmal jung gewesen und hatte Fehler gemacht. Positiv gesehen, war der Kandidat mit ausreichend Selbstbewusstsein ausgestattet und verstellte sich nicht. Ein wenig Smalltalk von mir: „Na, Herr M. – haben Sie denn gut her gefunden?“ M. macht schnell klar, wie sehr diese Frage seiner Meinung nach neben der Spur lief und ließ mich das deutlich spüren. „Klar, sonst wäre ich nicht hier, oder?“ Stimmt. Logik war übrigens eine der Stärken, die er in seinem Profil hervorgehoben hatte. Von Höflichkeit und Respekt war hierin nicht die Rede gewesen und so etwas hatte als Anforderung auch nicht in unserer Stellenbeschreibung gestanden.

Mein Blutdruck schraubte sich in Besorgnis erregende Höhen, dennoch wollte ich nicht gleich aufgeben. Einmal tief durchatmen, bis 10 zählen und Stärke demonstrieren. Manchmal muss man ein wenig suchen, um das Gute zu finden und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ich hatte die Frage nach seiner Motivation bei uns arbeiten zu wollen, nicht einmal zu Ende gestellt, als sein Handy in tinnitusverdächtigen Tönen losdröhnte.
„Er wird doch nicht….?“ – dieser Gedanke wurde gnadenlos unterbrochen, denn M. griff in die Tasche, wischte mit großzügiger Geste über das Display des Störenfrieds und meldete sich „Ey Alter – was geht?“ Ich bin selten sprachlos, jetzt war ich diesem Zustand einige lange Sekunden nahezu hilflos ausgeliefert.

Als ich mich ich aus meiner Schockstarre gelöst hatte, telefonierte M. immer noch. (Am liebsten wäre ihm sicher gewesen, wenn ich das Büro zur Wahrung seiner Privatsphäre verlassen hätte.) Mein Blick durchbohrte den jungen Mann gnadenlos. Genervt und reichlich widerwillig beendete er das Gespräch.
Nun kam mein Einsatz. „Herr M., vielen Dank, dass Sie hier waren!“ Mit großzügiger Geste reichte ich ihm seine Bewerbungsmappe. M. schien verständnislos. „Es tut mir leid…“ das wäre mehr als gelogen, also ließ ich diesen Teil des Satzes weg. „Wir werden uns bei Ihnen melden…“ Auch diese Floskel wäre mir persönlich zu viel gewesen, nach all dem was sich der Bewerber geleistet hatte. Und so flüchtete ich mich in eine gewisse Ironie: „Ich bin zu der Auffassung gelangt, dass unser Unternehmen Ihnen nicht das bieten kann, was Sie suchen!“

Jetzt kam M. ins Grübeln und während er noch überlegte, begleitete ich ihn zur Tür. Ganz konnte ich mich letztendlich nicht zurückhalten und meinte „Vielleicht sollten Sie sich künftig ein wenig mehr auf das Procedere in einem Bewerbungsgespräch vorbereiten!“ Das war ihm nun wirklich zu viel und ich bekam ebenfalls einen Ratschlag von ihm: „Chill mal dein Leben!

Übrigens, für diejenigen, die es nicht wissen. „Chill dein Leben“ heißt so viel wie „Entspann dich!“ oder „Bleib locker!“

Ich wünsche allen einen schönen Tag!
Ihre Heidi Initiativa