Jeder Beschäftigte hat das Recht auf ein Zeugnis, das ist sogar gesetzlich verankert. Auf Anforderung muss ein qualifiziertes Zeugnis ausgestellt werden, das Leistungen und Verhalten des Arbeitnehmers widerspiegelt.

Bürgerliches Gesetzbuch, Buch 2, Abschnitt 8, Titel 8,

Untertitel 1 – Dienstvertrag § 630 Pflicht zur Zeugniserteilung

Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Verpflichtete von dem anderen Teil ein schriftliches
Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistungen und die
Führung im Dienst zu erstrecken. Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Wenn der
Verpflichtete ein Arbeitnehmer ist, findet § 109  der Gewerbeordnung Anwendung.“

Formulierungen in Zeugnissen schaffen nicht nur Kopfzerbrechen, sondern sorgen oftmals für Streitigkeiten und beanspruchen Gerichte.  Kleine verbale Unterschiede können in der „Geheimsprache“ der Zeugnisse große Unterschiede bedeuten.

So bedeutet „zu unserer vollen Zufriedenheit“ in Schulnoten ausgedrückt eine Note drei, während „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ einer Note zwei gleichkommt. (Eine eins wäre übrigens „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“.) Allerdings muss man wissen, dass selbst Gerichte sich nicht wirklich einig sind. „Zu unserer vollsten Zufriedenheit“ wird von einem Gericht als durchschnittliche Leistung gewertet, von einem anderen Gericht bedeutet „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ ebenfalls nur den Durchschnitt.

Gewisse Punkte, die zuerst einmal positiv zu sein scheinen, sind in Wirklichkeit konträr gemeint.
Liest man, dass es „nichts zu bestanden“ gab, findet man bei der in diesem Zusammenhang genannten Tätigkeit Defizite oder man könnte einen Umkehrschluss ziehen. Gibt es nämlich nichts zu beanstanden, gibt es auch nichts zu loben.
Wer sich bemühte, die ihm übertragenen Aufgaben zu erledigen, ist vielfach passiv und man kann davon ausgehen, dass die Bemühungen nicht wirklich von Erfolg gekrönt waren.

Mittlerweile verliert für einige Personalchefs das Arbeitszeugnis an Wertigkeit, denn darin darf im Prinzip nichts Negatives stehen. Dieses Dokument soll „wohlwollend“ verfasst werden, um nicht den beruflichen Werdegang eines Arbeitnehmers zu gefährden. Andererseits sollen die enthaltenen Angaben vollständig und wahrheitsgetreu sein. Das kann zu einer schwierigen Aufgabe werden und so werden immer öfter Zeugnisse verfasst, die „nett“  sind und aus allgemein gehaltenen Floskeln bestehen.

Geschulte „Zeugnisleser“ ziehen heute gerade aus dem, was weggelassen wurde, ihre Rückschlüsse. So kann gar keine Beurteilung über das Verhalten schlechter gewertet werden, als eine mittelmäßige Aussage darüber.
Sicher ist, dass es auch bei sorgfältig ausformulierten Arbeitszeugnissen viel Interpretationsspielraum gibt und letztendlich der Empfänger die Botschaft bestimmt.

Bei einer Bewerbung zählt wie so oft im Leben vielfach das Gesamtpaket, also das Gesamtergebnis aus den Bewerbungsunterlagen (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse und Zertifikate) sowie dem Vorstellungsgespräch.

 

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