Wie heißt es so schön? „Der frühe Vogel fängt den Wurm!“ Wenn wir ehrlich sind, fragen wir uns, wer denn schon im Morgengrauen auf die Jagd gehen will. Wollen Sie das? Würmer fangen am Montagmorgen im Licht der aufgehenden Sonne?
Müde steuere ich mehr oder minder gekonnt meinen Kleinwagen durch den dichten Großstadtverkehr. In Gedanken gehe ich den Tagesplan für diesen Montag durch. Als erstes steht heute das Morgenmeeting im Kalender. Manchmal muss ich bei diesen Zusammenkünften an den Stuhlkreis im Kindergarten denken. Als Personalchefin habe ich vor einigen Monaten dieses Treffen ins Leben gerufen. Jeder Mitarbeiter sollte hier die Gelegenheit bekommen, mit den Kollegen Erfolge und Probleme zu teilen. Psychologisch wertvoll an einem runden Tisch, alle auf Augenhöhe und wertungsfrei.
Manchmal funktionierte das ganz gut, manchmal allerdings so gar nicht. Der letzte Montag zum Beispiel war ein einziges Debakel gewesen. Begonnen hatte alles damit, dass Ina das leidige Thema „Pflanzen“ angesprochen hatte. Anklagend hatte sie den Blick in die Runde schweifen lassen und sich selbst bemitleidet. War sie doch ihrer Meinung nach die Einzige, die diesen armen Geschöpfen Pflege und Liebe zukommen ließ. (Sie war allerdings auch diejenige gewesen, die unser Büro in die Zweigstelle eines Pflanzengroßhandels verwandelt hatte.)
Unrecht hatte sie nicht, denn keiner von uns zeigte übermäßiges Interesse. Azubine Sara merkte an, dass Pflanzen mit Stacheln und spitzen Blättern außerdem schlecht für das Feng Shui seien.
Nach einigen Diskussionen kam die Idee von „Pflanzenpaten“ auf und wurde sofort umgesetzt. Künftig sollte so jeder eingebunden werden und sich um eine große Pflanze oder mehrere kleine Gewächse kümmern. Die Lösung des Problems war somit eigentlich erreicht, bis Serge sich stark machte. Er war nämlich der Ansicht, dass den grünen Bürogenossen etwas viel besseres zustand, als Menschen, die sich widerwillig zum Gießen schleppten. „FfdP“ (Freiheit für die Pflanzen) war seine Mission und er hielt eine flammende Rede. Jedes Gewächs gehöre nach draußen in die frische Luft, müsse die Sonne spüren und auch Regen und Wind aushalten. Je nachdem, wo die jeweilige Pflanze beheimatet war. Im schlimmsten Fall könnten sie in einem Gewächshaus leben. Aber nur bei Menschen, die sie lieben, mit ihnen sprechen und ihnen Aufmerksamkeit schenken.
Es war ruhig am runden Tisch geworden. Das Schweigen wurde nahezu unerträglich, als Serge (s)eine Belohnung auslobte. Er wollte jeden, der dieses edle Ziel umsetzte, zum Kaffeetrinken einladen. (Mal unter uns: Das war sehr nett von ihm gemeint, hatte aber einen großen Nachteil. Keiner von uns mochte Kaffee und so war der Sinn der Belohnung verfehlt. Und Serge – Serge war eben Serge – ein gnadenloser Verfechter von solchen Projekten wie diesem FfdP und ein ebenso gnadenloser Überzeuger.)
Die Rettung aus dieser nahezu ausweglosen Situation kam von Pepe, unserem Auszubildenden. Man müsste interessierte Menschen und die Pflanzen im Internet zusammenbringen.
Einstimmig beschlossen wurde danach eine Art Crowdfunding-Projekt: Wer einer Pflanze das richtige Zuhause gibt, darf mit Serge Kaffee trinken. Gern auch mehrmals. Je nach Größe der Pflanze.
(Drückt mir mal die Daumen, dass die Idee mit der Patenschaft für die Pflanzen im www funktioniert. Ich bin nämlich Patin von einem Kaktus, dem so genannten „Schwiegermuttersitz“, der in Mexiko beheimatet ist. Abgesehen von allen anderen Widrigkeiten – ich wüsste nicht, wie ich diese Pflanze in einen Flieger bekommen sollte, um dieses Riesendings wieder in seine Heimat bringen.)
Außerdem überlege ich, ob ich die Montagmorgen-Meetings nicht auf bestimmte Themen beschränken sollte…….
Ich wünsche allen einen schönen (Mon)tag
Ihre Heidi Initiativia