Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres klagen rund 30 Prozent der Betriebe, dass sie keine Auszubildenden finden und fast 24.000 Jugendliche sind noch ohne Lehrstelle. Erfasst wurden hierbei die Jugendlichen, die über die Bundesagentur für Arbeit einen Ausbildungsplatz suchen. Die Zahl der jungen Erwachsenen ohne Ausbildungsplatz dürfte deutlich höher liegen, denn viele Schulabgänger machen ein Freiwilliges Soziales Jahr, absolvieren Praktika oder eine Maßnahme. Oft hört man auch, dass junge Erwachsene lieber Stellenangebote nach einfachen Jobs durchforsten. „Da findest du wenigstens etwas und kannst gleich Geld verdienen!“ denken manche.
Jede zehnte Firma erhält aber nicht einmal eine einzige Bewerbung auf ihre ausgeschriebene Lehrstelle, das ergab eine Umfrage der IHK.
Woran liegt das? Es handelt sich um „Passungsprobleme“, denken Arbeitsmarktanalytiker. Es gibt zwischen Unternehmen und Bewerbern vieles, was nicht passt oder die angebotenen Ausbildungsplätze passen nicht zu den Interessen und Wünschen der Schulabgänger. Es kann vieles sein, was Unternehmen und Ausbildungsplatzsuchende daran hindert, zueinander zu finden.
Zum einen gibt es einen ungebrochenen Trend zum Abitur, „Studium statt Ausbildung“ ist oft das Motto. Während in den 70er Jahren rund 70 Prozent der Jugendlichen eine Ausbildung absolvierten, studieren heute 60 Prozent der Schulabgänger – Tendenz steigend. Oft ist es der Elternwunsch, dass das Kind das Abi machen soll und anschließend studieren. An deutschen Hochschulen werden fast 20.000 Studiengänge angeboten, im Wintersemester 2014/2015 gab es rund 2.7 Millionen Studienplätze, für das Wintersemester 2018/2019 sind noch Studienplätze frei.
Einige Ausbildungsbetriebe – besonders im Handwerk – klagen darüber, dass sie keine Bewerber finden. So griff zum Beispiel ein Glasermeister aus Norddeutschland zu ungewöhnlichen Mitteln. Er drehte ein Video, weil er auf der Suche nach zwei Auszubildenden war und stellte es bei Facebook online. Im Video lässt er eine riesige Glasscheibe fallen und erklärt, dass er zwei Azubis sucht. Ihm seien Herkunft und Schulabschluss egal, Zuverlässigkeit sei wichtig. Hinzu kommen bei ihm finanzielle Anreize und sein Motto als Ausbilder „Ich bin immer für dich da!“ Er hat Auszubildende gefunden und das Video wurde zum viralen Hit.
Was kann außerdem nicht passend sein? Eine zu geringe Ausbildungsvergütung oder nicht attraktive Arbeitszeiten, die Entfernung zur Ausbildungsstelle und mangelnde Mobilität, manchmal auch unrealistische Wünsche und mangelnde Vorstellung der Möglichkeiten im Ausbildungsberuf. Mitunter muss man sich vom Wunschberuf verabschieden und sollte sich für die Ausbildung für ähnliche oder vielleicht sogar ganz entgegengesetzte Berufe interessieren. Einige Berufe haben Seltenheitswert und sind kaum bekannt (wie zum Beispiel Edelsteinfasser oder Winzer), während die derzeit beliebtesten Ausbildungsplätze Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement und Kaufman/Kauffrau im Einzelhandel sind. Deshalb sollte man nicht nur nach momentan anscheinend passenden Stellen suchen, sondern auch als potentieller Azubi über den Tellerrand hinaus schauen.
Unser Rat an Ausbildungsplatzsuchende: Schauen Sie sich um, informieren Sie sich und lassen sich zeigen, worum es bei der Ausbildung geht. Arbeitgeber sollten vielleicht lieber einmal mehr als zuwenig zwischen den Zeilen der Bewerbungsschreiben lesen und sich mit den Bewerbern über ihre Ziele und Wünsche unterhalten. Auch wenn vielleicht Zeugnisse und Noten nicht wirklich überzeugen.