Es ist der (Alp)Traum jeder Frau, mit einer bekleckerten Bluse den ersten Tag im neuen Job zu verbringen. Aber – alles im Leben hat sein Gutes. So wusste ich schon gleich zu Anfang, wie ich einige meiner Kollegen in etwa einzuschätzen habe. Während ich darauf wartete, dass mein Chef mich aus meiner Warteposition abholte, kreuzten einige Damen meinen Weg.
Zuerst kam Kollegin „Ach du Schande, das geht ja gar nicht“. Sie grüßte ein wenig von oben herab und ihr Blick blieb fasziniert an dem Kaffeefleck auf meine Bluse hängen. Ihr aufgesetztes Lächeln kam nicht in ihren Augen an. Gekonnt zupfte Sie ihre Haare zurecht, ordnete ihr Outfit und gab mir nonverbal zu verstehen, wie perfekt sie gestylt war.
Ach, was wünschte ich mir jetzt eine Fee aus der Werbung, die in Nullkommanix meine Bluse reinigen würde.
Wenig später kam ein junger Mann auf mich zu, reichte mir die Hand und schien gar nichts zu bemerken. Entweder war er sehr diskret oder er hatte seine Brille auf seinem Schreibtisch liegen lassen. „Sie sind die neue Mitarbeiterin, Frau Freu?“ Ich versuchte, ihm meine Schokoladenseite zu zeigen (nicht die mit dem Kaffeefleck) und nickte. „Es tut mir sehr leid…..“ begann er und machte eine kleine Pause. So hatte ich Zeit, den Satz gedanklich zu vollenden. „Es tut mir sehr leid, aber wer es nicht einmal schafft, am ersten Tag ordentlich auszusehen, der kann gleich wieder nach Hause gehen!“ Natürlich sagte er das nicht, sondern erzählte mir, dass der Chef wegen eines Staus noch nicht im Büro war. Ich möge mich ein wenig gedulden.
Das fiel mir nicht ganz so leicht, denn ich saß im Wartebereich des Unternehmens wie auf einem Präsentierteller und jeder, der vorbei kam konnte mich und meinen Kaffeefleck ganz in Ruhe begutachten. Schon wieder kam eine Frau auf mich zu. „Kommen Sie, ich führe Sie ein wenig herum. Mögen Sie?“ Nein sagen konnte ich ja schlecht, aber ich muss sehr verschüchtert ausgesehen haben. Sie fasste mich leicht am Arm: „Kommen Sie!“ Es ging jedoch nicht auf eine Führung, sondern direkt in ihr Büro. „Ich glaube, ich habe eine Lösung für Sie“ ging Gabi – so stellte sie sich vor – gleich zur Sache. Sie öffnete schwungvoll einen Schrank, in dem einige Kleidungsstücke hingen. „Ich glaube, wir haben die gleiche Größe, bedienen Sie sich!“ Vor lauter Erleichterung wäre ich ihr am liebsten um den Hals gefallen. Schnell war ich wieder bürofein und konnte mich unter die Leute wagen. „Vielen, vielen Dank – das kann ich nie wieder gutmachen“, verabschiedete ich mich von Gabi und begab mich wieder an meinen Warteplatz.
Gerade zur rechten Zeit, denn einen kurzen Moment später holte mich mein Chef zum Gespräch. Er umschrieb noch einmal meinen Tätigkeitsbereich, erklärte einige Interna und hieß mich offiziell willkommen. Sehr, sehr sympathisch – so speicherte ich ihn ab. Das Gespräch war zu Ende, er reichte mir die Hand und brachte mich zu seiner Bürotür. „Ach übrigens – ich freue mich natürlich, wenn meine Mitarbeiter sehr gut gekleidet sind. Aber eine Kleiderordnung haben wir nur für den Kundenempfangsbereich. Alle anderen Kollegen dürfen leger zur Arbeit kommen, jeder soll sich wohlfühlen. Wenn Sie mögen – gern morgen in Jeans und legerem Oberteil!“
Habt ihr im Mindesten eine Idee, wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe? Mein Mann konnte sich am Abend jedenfalls köstlich amüsieren.